Wer bin ich und wenn ja warum?
- Leo

- 17. Feb. 2023
- 2 Min. Lesezeit

Ich habe von meiner Mutter geträumt. Sie ist jung, ungefähr mein Alter, und schlank. Sie kommt grad aus der Psychiatrie und wir sind zu Besuch bei den Nachbarn mit ihr. Die Nachbarn finden sie selbstsam und wir alle stehen hilflos drum herum und schämen uns. Das Gefühl dieser abwertenden Enge in der Wohnung der Nachbarin raubt mir den Atem. Ich wache auf.
Mein Suchtfilm geht sofort los.
Ich muss raus ich muss laufen ich muss essen ich muss einkaufen.
Weg von diesen Erinnerungen.
Weg von dieser kaputten Vergangenheit. Ob es meinen Großeltern und meinem Vater morgens auch so geht?
Ob sie auch erstmal ins kalte Regenfass müssen, oder eine Rauchen oder im Garten rum wühlen, um schnell all dieses Grausame der Nacht abzuschütteln und sich wieder wertvoll und geordnet zu fühlen? Ich mache mir Gedanken.
Gedanken um all die Menschen in meinem engen Umfeld, die jeden Morgen aufwachen, funktionieren und ganz schnell ganz viel machen müssen, um zu vergessen, wie schwach, ängstlich, kaputt und müde sie eigentlich im Grunde ihres Herzens sind.
Ich bekomme Wut. Wut auf diese Leute, weil ich weiß, sie flüchten nur vor ihren eigenen Gefühlen, vor sich selbst und ihrer Vergangenheit.
Wie ich selbst es jeden Tag tue. Auf der anderen Seite denke ich – was sonst bedeutet das Leben im Jetzt, nur für Heute, von dem alle immer so schwelgen?
Ist es nicht genau das – Altes hinter sich lassen, Ankommen im hier und jetzt und das tun wonach einem gerade ist ohne es zu zerdenken, zu bewerten oder anders haben zu wollen?
Doch wissen wir denn, was wir wollen?
Wollen wir denn morgens aufstehen und erstmal los hetzen – hauptsache irgendwas machen nur um nicht zu sehr ins Denken und Fühlen zu kommen? Um anderen nützlich zu sein und jemandem Gutes zu tun, um sich wertvoll und gebraucht zu fühlen in all dem Chaos des eigenen Kopfes und ein nützlicher Bestandteil der Welt zu sein und kein faules Stück Scheiße im eigenen Saft?
Ich verstehe das alles nicht. Es ist mir zu hoch. Es ist mir zu weit. Zu Meta...
Bin völlig überfordert und überschwemmt von all diesen Gedanken und all diesen Schuldgefühlen für mein eigenes Sein. Fühle mich nicht richtig, überwältigt, unsicher und dadurch sofort wieder getrieben. In meinem Kopf rattern tausend Pläne für den Tag, nur um irgendwie weg zu kommen von diesem ständigen Gedankenkarussell.
Eigentlich will ich es nicht mehr. Will mich nicht ständig um andere sorgen und kümmern müssen, nur um ja nicht bei mir selbst zu sein. Will mich nicht mehr mit irgendwelchen tollen Texten und hübschen tiefen Worten profilieren müssen, um Bestätigung und Anerkennung von anderen zu bekommen, damit ich mich selbst mehr lieben und mir selbst auf die Schulter klopfen kann, mir sagen: das hast du aber fein gemacht, siehst du, alle finden dich toll und wie du das alles machst - Respekt!
Aber was ich wirklich will weiß ich nicht.
Frieden im Kopf und im Herzen.
Ankomme bei mir selbst.
Doch ich weiß im tiefsten Innern meines Herzens:
Das wäre mir auf Dauer viel zu langweilig.




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