Ja genau - es reicht jetzt! - Hausarzt-Bullshit
- Leo

- 17. Apr. 2023
- 4 Min. Lesezeit

Ich hasse Ärzte . Vor allem hasse ich das Gefühl, welches ich dort regelmäßig bekomme, nämlich: der letzte kranke Schiss der Gesellschaft zu sein.
Für mich selbst kann ich inzwischen vieles was war abhaken, einen Strich drunter ziehen, neu anfangen.
Aber meine Krankenakte vergisst nicht.
Und jedesmal beim Arzt fühle ich mich wieder wie der abgefuckte fress-kotzende Alki aus diesen beschissenen Berichten.
Der Arzt beglückwünscht mich heute dazu, dass ich noch „trocken“ bin. Für mich hört sich das jedoch eher mitleidig als bewundernd an. Ich weiß auch nicht, warum ich überhaupt große Bewunderung von meinem Arzt dafür erwarte, was ich geschafft habe. Nur ich selbst kann ja einschätzen, was diese Freiheit für mich bedeutet.
Denn nur ich kenne die ganze Dimension meiner Abstürze. Ich wette, mindestens jeder dritte der heut mit mir in diesem Wartezimmer saß, hat ebenfalls ein massives Alkoholproblem, dieser Arzt hat aber keine Ahnung davon, weil keiner es zugibt.
Stattdessen werden zahllose Tabletten für Gefäße, Leber und den Bluthochdruck verschrieben - vielleicht auch eine gesündere Ernährung.
Das hat er mir übrigends auch empfohlen.
Es wäre ja schön, dass ich es jetzt geschafft habe mehr zu essen, aber so wie es jetzt ausschaut rein äußerlich, reiche es ja aus.
Ich solle am besten drauf achten, dass es „nicht mehr wird“. „Da ärgert man sich ja dann nur!“ meint er und danach noch „Bei mir wäre das ja auch schlecht wenn ich so viel zunehmen würde aber bei Ihnen ist das dann wohl ein gutes Zeichen…“ Augenkneifen, schiefes Gesicht, fragender Unterton.
Wenn ich solche Kommentare und „Ratschläge“ von einem „Profi“ höre, dreht sich mir direkt den Magen um!
Ich schäume vor Wut, lasse mir aber nichts anmerken.
Zum Glück prallen diese „Hinweise“ an mir ab wie mein Hüpfball, denn ich weiß zum Glück heute, dass das völliger Bullshit ist.
Mir tun all die Frauen leid, die solche „wertvollen Tipps“ von ihren Hausärzten bekommen, wenn sie versuchen zu recovern.
Früher und ohne mein jetziges Wissen über die All-In-Recovery, den Extremhunger und das heilende „Overshoot-Gewicht“ wäre ich vermutlich ausgerastet, hätte mich davon wieder völlig runterziehen lassen und wäre nach dem Arztbesuch erstmal zwei Stunden laufen oder kotzen gegangen. Vermutlich hätte ich auch nicht zu Abend gegessen und die nächsten Wochen nur Salat gefuttert.
Jetzt weiß ich zum Glück, was nach so einer Begegnung der beschissenen Art zutun ist.
Und genau das habe ich auch getan: Direkt raus aus dem Wartezimmer und ab zum Dönermann! Einmal Dürüm mit extra Käse komplett – und für morgen nehm ich gleich auch noch einen Döner mit. Jetzt stinke ich nicht mehr vor Wut, sondern nach Knoblauchsauce.
ED schreit: Das kannst du nicht machen, du bist ja pervers! Glaubst du wirklich schlauer zu sein als ein Arzt? Glaubst du jahrzehntelangen wissenschaftlichen Erkenntnissen trotzen zu können? Glaubst du wirklich mehr an ein paar Videos und Bücher aus dem Internet als 10 Jahren Studium und 30 Jahren Berufserfahrung eines Fachmanns?
Ich lache:
Ja. Genau das tue ich! Und ja, ich kann! Ich kann, denn ich glaube hunderten geheilten Betroffenen, die Spezialisten in eigener Sache sind, viel mehr als einem studierten Weißkittel, der sein winziges Randwissen in diesem Feld nur aus uralten überholten Fachbüchern hat.
Und das wirklich Perverse ist, Ed, dass so viele Fachmediziner so wenig Bewusstsein dafür haben, was Essstörung wirklich bedeutet und über die zerstörerische Kraft, die ihre wohlgemeinten Hinweise für ihre Patienten haben können.
Wäre ich Konspirationstheoretikerin, würde ich vermuten, sowas sei Absicht, um den Füllstand des eigenen Wartezimmers zu sichern. Doch mir ist klar: Es ist pures Unwissen und kein böser Wille.
Für Patienten mit Essstörung bedeutet das Befolgen solcher Ratschläge erneuter Restriktion und Kontrolle über Körper und Nahrungsaufnahme unweigerlich Rückfall und ewiges Verharren im teuflischen Kopf-Kriegszustand der Quasi-Recovery, in der man verzweifelt versucht zu verhindern, dass der Körper mehr wird als die wissenschaftlichen Standardvorgaben ihm zugestehen. So stecken sie für immer im restriktiven Diät-Mindset, einem ewigen Fegefeuer der eigenen zerstörerischen Gedanken.
Ich wäre so gern aufgesprungen, hätte mit der Faust auf den Tisch gehauen, dem Arzt einen Vortrag über seinen kontraproduktiven Kommentar gehalten und ihm mein Recovery-Buch um die Ohren gehauen. Aber ich war ihm dankbar für das Rezept gegen meine Rückenschmerzen und habe Mitleid mit ihm, weil er es nicht besser wissen kann und abends halb sechs noch das Wartezimmer voller Leute sitzen hat, die ihre hundert Medikamente gegen Bluthochdruck abholen wollen.
Ich frage mich, ob es müßig ist, Ärzten mit jahrzehntelanger Berufserfahrung zu versuchen, ein neues Weltbild beizubringen, was körperliche Gesundheit hinsichtlich Ernährungsverhalten angeht.
Die Frage kann ich mir eigentlich selbst beantworten.
Und doch rumort eine Stimme in mir: Es ist deine Aufgabe das zu tun. Du kannst nicht einfach sitzen bleiben nach allem was du weißt.
„Doch werd ich nie die erste sein – wo alle doch so glücklich schein!“
Zuhause zieh ich mir mein fettes Dürüm rein, dazu zwei Videos zum Thema „Weight Gain Judge“ von Elisa Oras und bin anschließend megastolz.
Genau das ist es. Genau so werde ich ED immer und immer wieder in seinen knochigen Arsch treten!
Gegen die Wut – gerade dann!
Gegen die Angst – genau so!
Gegen all die verstaubten Glaubenssätze – jetzt erst recht!
Wenn ich noch einmal irgendwo lese, man soll sich für die Recovery am besten „fachliche medizinische Hilfe“ suchen, schmeiße ich einen Blumentopf gegen die Wand - und den Laptop mit diesem Artikel direkt hinterher.
Mein Rat geht raus an alle Betroffenen: Haltet euch fern von Ärzten, die keine Ahnung haben, was echte Recovery bedeutet. Und vermutlich sind das leider die meisten.
Und mein Rat geht raus an alle Ärzte, die eine von Essstörung genesende Patientin behandeln:
Stellt der Betroffenen am besten ein Dauerrezept für Döner aus – mit extra Sauce. Und beglückwünscht sie dafür, dass sie auf alles geschissen hat, was die Schulmedizin bis dato zum Thema „gesundes Gewicht und Ernährungstipps“ zu sagen hat.
Am besten sagt ihr dieser Patientin, sie solle sich möglichst nie wieder bei euch sehen lassen – außer mit einer Axt, mit der sie eure Körperwaage im Behandlungszimmer zertrümmert.
Ich bekomme da gerade so eine geniale Vision von mir im Tomb-Raider-Kostüm, einer Pumpgun und Springerstiefeln – in dieser Kombi stürme ich das Wiegezimmer und verlasse nach ca. 2 Minuten mit einigen metallischen Einzelteilen an der Sohle klebend, grinsend und mir die Hände abklopfend zufrieden die Praxis.
Hey, was?!
Man darf ja wohl noch träumen dürfen!




Kommentare