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Beitrag: Blog2 Post

F*ck you, ED!

  • Autorenbild: Leo
    Leo
  • 16. Apr. 2023
  • 4 Min. Lesezeit
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Ein typischer Sonntag. Eigentlich sollte ich froh darüber sein, keinerlei Verpflichtungen zu haben. Stattdessen fürchte ich mich vor der Leere des Tages, davor dass ich nicht weiß, was ich mit mir anstellen soll, davor, dass keiner Zeit für mich hat und alle „was machen“ außer mir. Davor, dass das Wetter schön ist und ich mich wieder genötigt fühle mich zwanghaft zu bewegen etc.


Immer wieder muss ich mich selbst ausbremsen. Mich beruhigen, loslassen, tun was gerade wichtig ist.

Essen. Ruhen. Aushalten. Schreiben. Fühlen.

Was brauche ich? Was ist gerade los? Worauf habe ich wirklich Lust und nicht meine Essstörung.


Ein Schritt nach dem anderen. Tausend Pläne im Kopf, hausgemachter Stress, Hektik, hundert Alternativen für die Gestaltung des Tages. Gleichzeitig die Unfähigkeit das anzuerkennen, was gerade wirklich da ist: Der absolute und bedingungslose Wunsch nichts zu müssen und nichts zu tun. Ich liebe mein Leben ohne MUSS. Ich liebe mein Leben ohne Sport- und Bewegungszwang, mein Leben ohne den Drang, ständig tausend Leute treffen und unterwegs sein zu müssen. Kleine Dosen. Kleine Aufgaben. Viele Pausen. Und immer wieder: Essen.


Ich möchte es nicht wahrhaben und es fühlt sich angsteinflößend an, dieser ständige Hunger, diese ständigen Gedanken an Essen. Ich fühle mich dem ausgeliefert und habe Panik vor Kontrollverlust, auch davor, dass es mir vielleicht immer schlechter geht, wenn ich dem weiterhin nachgehe.


Nein, das alles sind Ängste meiner Essstörung. Nicht meine. Tief im Inneren bin ich überzeugt davon, dass es funktioniert. Auch wenn praktisch alle Menschen, die ich kenne, dagegen sprechen. Sogar die „Profis“, also Ärzte, Physiotherapeuten und so weiter. Ich muss mich doch bewegen, gesund ernähren, blablabla.

Ich muss grad gar nichts außer ED in den Arsch treten.

Auch wenn praktisch alles was ich je gelernt und geglaubt habe dagegen spricht. Auch wenn ich mich meiner größten Angst stellen muss:


Der Angst, faul, träge, dick und einsam zu werden – belächelt und ausrangiert.

Für bekloppt und unfähig erklärt und abgestempelt. VERLASSEN. So wie meine Mutter.

Ich kann diese Angst nur besiegen, indem ich mich ihr stelle. Ich kann all diesen Befürchtungen nur das Gegenteil beweisen, indem ich genau das Gegenteil dessen tue was meine Angst mir sagt.

Das Gegenteil dessen, was ED mir sagt.

ED: Los, beweg dich! Mach was. Unternimm was. Iss mal weniger es reicht jetzt. Du kannst nicht ständig Hunger haben. Du musst langsam mal drauf achten. Zunehmen gut und schön aber es sollte nicht ungesund werden. Es reicht jetzt. Du solltest dich mehr bewegen. Laufen ist gesund. Bewegung braucht der Körper. Selbst gemachtes frisches Essen ist besser als diese Fertigkost aus der Büchse. Du wirst faul, pickelig, krank und träge und du bleibst für immer so schwach und schlapp wenn du so weiter machst und nur frisst und rum liegst. Wie soll es dir besser gehen, wenn du nichts tust?


ICH: Halt die Fresse, ED. Ich tue genug. Jeden Tag höre ich mir dein beschissenes Genörgel an und sorge trotzdem für mich. Weil ich weiß, dass du mich anschreist, weil du Angst hast. Du hast Angst, dass ich dich nicht mehr brauche. Du hast Schiss, dass ich dich verlasse. Du hast Panik, weil du immer mehr spürst, dass ich dich ganz bald schon nicht mehr brauche. Du bist lächerlich, du bist zu bemitleiden. Es muss sich beschissen anfühlen, nicht mehr gebraucht zu werden. Du kannst schon mal deine Sachen packen. Der Umzugswagen steht bereit. Ich brauche deine bescheuerten Tipps nicht mehr. Ich habe mein eigenes Leben. Alles was du mir gegeben hast, werde ich an anderer Stelle finden. Sicherheit. Schutz. Gesellschaft. Halt. Ich brauche dafür nicht mehr deine giftige Hand. Denn ich habe genug andere. Und ich habe Urvertrauen in das Universum. Du bist nicht länger mein Gott. Du bist der Teufel. Verschwinde aus meinem Leben und halt einfach deine stinkende Klappe! Ich höre nicht mehr hin. Ich freue mich ein Loch in meinen immer dicker werdenden Hintern dass ich endlich tun kann was ich will. Und wenn das den ganzen Tag nur im Bett liegen, Musik hören und essen ist trotz Sonnenschein dann ist das völlig ok. Ich habe lange genug gekämpft. Ich bin jede Woche drei Marathons gerannt, habe mich immer gestresst und geschunden und angetrieben. Ich bin immer allem und jedem nachgelaufen, gleichzeitig vor mir weg gerannt. Du warst immer an meiner Seite und mein vermeintlicher Begleiter in dieser irren Einsamkeit. So fand ich den Anker den ich so verzweifelt suchte. Ich darf jetzt endlich frei schwimmen, während du in den verdammten Wellen ersäufst die ich dabei erzeuge. Hau ab. Lass mich in Ruhe. Ich brauche dich nicht mehr. Ich bin stark. Ich bin ich. Und du bist ein verdammter Lügner und Heuchler, die Handbremse auf der Autobahn, der Keil in einer Tür die ich endgültig schließen möchte.


ED: Du wirst mich vermissen. Du wirst wieder angekrochen kommen wenn es dir schlecht geht. Du wirst es bereuen, mich verlassen zu haben, wenn das nächste Problem auftaucht und du dann nicht nur genauso unfähig sein wirst es zu lösen wie bisher, sondern dazu noch hässlich fett und einsam sein wirst. Ohne mich hast du keine Chance. Du brauchst mich. Früher oder später. Du hast mich so oft versucht zu verlassen und bist immer wieder angekrochen gekommen. Es ist nur eine Frage der Zeit.


ICH : Du hast recht. Ich bin immer wieder angekrochen, weil ich nicht geglaubt habe, dass ein Leben ohne dich möglich ist. Und weil sich das Leben ohne dich immer früher oder später erstmal viel beschissener angefühlt hat als mit dir. Ich habe nicht den Mut gehabt auszuhalten, weiterzumachen, an mich zu glauben und darauf zu vertrauen, dass es besser wird. Heute weiß ich, dass es möglich ist. Denn andere sind den Weg vor mir gegangen. Ich bin nicht das abgefahrene Einhorn bei dem es nicht funktioniert, auch wenn ich mir das aus Angst wirklich etwas zu verändern lange eingeredet habe.

Weder du noch irgendjemand anderes kann mir mehr einreden, ich hätte nicht die Eier dazu dich zu verlassen. Diesmal lasse ich mich nicht von meiner Angst ausbremsen. Ich bin gut genug allein. Du hast keine Macht mehr über mich. Du kannst schreien, mich locken, immer wieder vor meiner Tür stehen. Ich werde sie nicht mehr öffnen. Nie mehr.



 
 
 

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