top of page
Beitrag: Blog2 Post

Egal was ich tue - es ist nie genug. Oder viel zuviel.

  • Autorenbild: Leo
    Leo
  • 14. Dez. 2022
  • 4 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 21. Dez. 2022

ree

Über Jahrzehnte hinweg hat man mir eingeredet, das was ich tue, das was ich bin, wie ich mich kleide, was ich esse, was ich arbeite, was ich denke und fühle - all das sei nicht richtig. All das sei krank. Oder zuviel. Oder zu wenig.

Zu laut - zu leise. Zu perfekt - zu mangelhaft. Zu schüchtern - zu offen.

Wie ein Chamäleon habe ich mich immer wieder versucht an mein Umfeld anzupassen - meist hat es geklappt. Dank ausreichend "Lösungsmitteln", die meine eigenen Wünsche, Bedürfnisse und Gefühle zuverlässig "aufgelöst" haben.


Jetzt, wo diese Mittel fehlen, fühle ich mich verwirrt, haltlos und unsicher, weil es plötzlich keine Umgebung mehr gibt, an die ich mich anpassen muss.

Ich sitze also emotional nackt und allein in meinem Raum und habe keine Ahnung, welche Farbe ich jetzt gerade haben muss. Und was ich tun soll.


Wie ein Kind mit Helikoptermutter, die ständig auf einen einquasselt, was man zutun hat - und plötzlich ist sie weg, die Mutter.

Wie eine Schülerin, die nur für ihre guten Noten und die Anerkennung der Lehrer lebt - und plötzlich ist sie zu Ende, die Schule.

Wie eine Patientin im Krankenhaus, der Ärzte und die Klinikregeln jeden Schritt vorschreiben -und plötzlich fliegt sie raus aus dem Krankenhaus. Wie eine Angestellte, deren 60-Stunden Job jede Minute ihrer Zeit beansprucht - und plötzlich ist er weg - der Job weg.

Wie die Frau eines narzistischen Mannes, der immer bestimmt, wo es lang geht - und plötzlich ist er weg, der Typ.

Und egal was ich jetzt mache - immer wieder trage ich diese Angst, diese Gedanken, dieses Gefühl mit mir herum, wieder in die falsche Richtung zu laufen. Weg von mir selbst. Im Kreis herum.


Mir fehlt die Sicherheit, das Richtige zu tun.

Mir fehlt die Motivation, neues zu erschaffen, aus Angst nicht gut genug zu sein oder zu versagen oder mich zu überfordern.

Gleichzeitig habe ich das Gefühl, wenn ich mich nicht fordere, komme ich nicht voran. Wenn ich nicht wieder wachse, entwickle ich mich zurück oder verkümmere.

Wenn ich raus gehe, laufen, will ich nach wenigen Schritten lieber wieder drin sein.

Ich denke dann: Du läufst ja wieder nur vor dir selbst weg.

Bin ich drinnen, fühle ich mich getrieben, doch endlich mal raus zu gehen.

Ich kann ich mich nicht entscheiden womit ich mich zuerst beschäftigen soll.

Tausend Ideen in meinem Kopf, tausend Gedanken und Vorhaben - und ich kann einfach nicht wählen, welches davon gerade das richtige, das gute, das beste ist.


Und entscheide ich mich dann, fühle ich mich schuldig, die falsche Wahl getroffen zu haben. Habe schon wieder drei andere Alternativen im Kopf, finde keine Ruhe, keinen Fokus auf das, was ich tue. Es ist nicht genug. Es ist nicht das was ich grad brauche. Was brauche ich denn überhaupt? Brauche ich das oder mein Ego? Tue ich es weil ich es will oder weil ich es glaube zu müssen? Würde ich es auch tun, wenn ich nicht "krank" wäre?

Ich schreibe mit Leuten - ich sollte nicht so viel auf Social Media rumhängen.

Ich nehmen mir vor auszugehen - morgen habe ich aber bestimmt keine Lust mehr da drauf.

Ich gehe aus - es ist mir zu laut, zu voll, ich bin doch eigentlich müde.

Ich lege mich hin um auszuruhen - das sollte ich nicht tun, dann kann ich nachts wieder nicht schlafen.

Ich lese ein Buch - ich sollte besser einen Podcast hören, oder selbst schreiben.

Ich lese einen tollen Post -warum kann ich nicht so tolle Beiträge schreiben. Ich sollte mich kürzer fassen. Ich bekomme Nachrichten von Freunden über tolle Bücher, die sie lesen - ich sollte auch ein Buch schreiben. Ich sollte es auch illustrieren oder verfilmen.


Mir ist das alles zuviel. Warum schreiben Leute Bücher. Es gibt doch schon so viele.


Ich will ein bekannter erfolgreicher Autor werden - aber was mach ich dann damit wenn jeder mich kennt und ich überall hin reisen muss, für Werbung und Lesereisen?


Mir ist ja jetzt schon eine Fahrt im Monat nach Dresden zu anstrengend.

Und Leute mag ich auch nicht, erst recht nicht viele.

Vielleicht ändert sich das ja, wenn ich erstmal meine Essstörung los bin. Vielleicht find ich es dann total gut, immer unterwegs zu sein und in Action, so wie alle meine Freunde die ständig mit Leuten irgendwo sind und was tolles machen und es total super finden.


Aber ich hab kein Bock.

Ich habe überhaupt kein Bock auf irgendwelchen Trubel.


Ich habe in den letzten 20 Jahren gefühlt so viele Dinge erlebt wie andere in 80 Jahren nicht erleben.


Vermutlich ist das auch genau der Grund, warum mein System einfach nicht klar kommt mit Ordnung, Ruhe und Struktur.

Es braucht das Chaos. Es braucht den Trubel. Es braucht all diesen Overload um sich lebendig zu fühlen.


Und gleichzeitig sehnt es sich danach, einfach nichts mehr müssen zu müssen.


Diese Sicherheit die ich immer wollte - ich habe sie und ich kann sie nicht wertschätzen.

Ich bin wie ein Huhn, das immer noch Eier legen will, obwohl es schon auf den Gnadenhof gezogen ist.


Warum kann ich nicht loslassen - all diese inneren Diktatoren, all diesen hausgemachten Druck, der mir ständig das Gefühl gibt, nicht genug zu tun und gleichzeitig viel zu viel auf einmal?!



 
 
 

Kommentare


bottom of page