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Beitrag: Blog2 Post

Der Karren im Dreck bewegt sich nicht besser, wenn zwei drin sitzen

  • Autorenbild: Leo
    Leo
  • 19. Dez. 2022
  • 3 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 21. Dez. 2022

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Co-Abhängigkeit und toxische Beziehungen - Bullshit!


Immer wieder höre und lese ich davon, wie sich Beziehungen gestalten, wenn einer "süchtig" ist und der andere "co-abhängig". Oft fällt dabei auch der Begriff "toxische Beziehung".


Für mich klingt das sehr nach Täter-Opfer-Modell. Als ob einer den Karren in den Dreck gefahren hat und der andere versucht ihn dort raus zu ziehen.


Aber Fakt ist: Beide haben sich irgendwann zusammen in den verdammten Karren gesetzt.

Der eine hat nicht gemerkt, dass er in den Dreck steuert und der andere hat es gesehen, aber nichts gesagt. Weil die Fahrt so lustig war.


Klingt aber immer noch sehr nach Täter-Opfer-Modell.


Ich habe jahrzehntelang immer wieder in solchen "giftigen" Beziehungen gelebt.

Mal auf der einen, mal auf der anderen Seite. Irgendwie auch gleichzeitig auf beiden.


Zuletzt mit meinem Ex-Mann und unseren Kindern.


Ich habe seinen ganzen Bullshit ertragen, erduldet und versucht immer wieder auszubügeln, was er in meinen Augen verzapft hat.

Und er hat alles akzeptiert, was ich so abgezogen habe mit meinen ganzen Süchten und Kontrollzwängen und meinem "People-Pleasing".


Mit Täter und Opfer hat das nicht viel zutun.

Wir hatten ein gemeinsames Ziel: Geld und Ansehen verdienen. Kurzfristige Befriedigung.

Unsere Komfortzone genießen. Auf andere scheißen.


Ich war froh, dass jemand bereit war, mich so zu "ertragen" wie ich war.

Außerdem war ich in meinem Element. Es lebte sich bequem in der Rolle der "Guten und Lieben", die alles tat, um den "Bad Guy" zu zähmen, sich immer schützend zwischen die Fronten warf, die Wogen glättete und nach außen hin immer diejenige war, die den "Laden" geschmissen und alles gemanagt hat. Ich war in dieser Rolle geübt durch meine kranke Mutter und bekam immer viel Anerkennung dafür.

Für mein Ego und für meine Sucht war das purer Luxus.

Genau das was ich brauchte, um meine eigenen Schatten im Glanz meines Edelmutes zu verbergen. Schließlich gabe es so immer noch einen Vergleich nach unten. Und der wohnte im selben Haus. All meine dunklen Seiten muteten gegen seine an wie Feenstaub. Er lebte aus, was ich mir nicht traute auszuleben und zu zeigen. Und er fing sich dafür auch all die Backpfeifen ein, die ich mir nicht traute zu kassieren. Wenn mir was zu heiß wurde - war´s einfach der andere. Und umgekehrt. Das perfekte Paar - wie Bonnie und Clyde.


Ich wollte also lange nicht aussteigen.

Sitzen bleiben war bequemer. Ich hatte zuviel Kraft in dieses Projekt "Familie" gesteckt, um es einfach aufzugeben.

Ich hätte meine Basis verloren - Job, Freundeskreis, finanzielle Sicherheit, Prestige, Ansehen und die Tatsache, mich hätte erklären zu müssen, warum ich alles so lange mitgemacht habe, obwohl ich wußte, dass es falsch war - notfalls vor Gericht.

Ich hatte Angst. Ich war überzeugt, allein nicht überlebensfähig zu sein und mein Gesicht zu verlieren sowie mein komplettes soziales Gefüge.

Vermutlich ging es ihm nicht viel anders. Nur auf anderer Ebene. Nur - er hatte den Vorteil "Geld". Mit Geld kann man sich eine Menge von dem erzwingen, was man ohne nicht so leicht bekommt, wenn man ein Egoschwein ist. Jeder ist käuflich, wenn er nur abhängig genug ist. Freunde. Angestellte. Sogar Kinder. Ich wiederum habe versucht zu gewinnen und von andern zu bekommen was ich brauchte, in dem ich übertrieben nett und angepaßt war, Auch eine Form Menschen dazu zu bringen, einem zu helfen.

Allerdings um den Preis der Selbstauflösung.


Wir beide haben verdrängt, dass wir mit unserem Verhalten, der Selbstzerstörung und Selbstaufgabe, den Menschen ein Vorbild sind, die uns jeden Tag zuschauen und zuhören.


Unseren Kinder.

Sie haben alles beobachtet und sich eine Menge abgeguckt. Still und heimlich.


Einer von ihnen hat aus unserer Geschichte gelernt. Er ist ausgestiegen aus dem System und hat sich unser Vorbild als Negativbeispiel genommen. Dank einer guten und objektiven Außenwelt, die ihm geholfen hat, dieses Chaos durchzustehen und den Escape zu meistern.

Er struggelt auch heute noch immer wieder mit den Tendenzen des Wahnsinns, die er jahrzehntelang kopiert hat.


Der andere ist wohl in die Fußstapfen seines Vaters getreten und lebt seinen Traum von Stärke, Glanz und Unabhängigkeit, während ihm vermutlich genauso wenig wie seinem Idol bewußt werden will, welche Opfer er dafür bringt.


Vielleicht sind beide auch irgendwie eine Mischung geworden. Schwarz oder weiß - gibt es nicht, das weiß ich auch. Ich kann das von außen schwer beurteilen, weil ich nur Fragmente sehe.

Fakt ist für mich:

Ich schäme mich heute dafür, kein besseres Leitbild geboten zu haben. Das Beste was ich tun konnte, ist als erste die Handbremse zu ziehen an diesem Karren, den wir gemeinsam in den Dreck gefahren hatten. Und auszusteigen.


Lieber spät als nie.


Nun sitze ich heute hier, auf dem Sofa- zusammen mit ED, im nächsten Dreckskarren, aus dem ich mich nicht traue auszusteigen. Und ich überlege, woran es diesmal liegt.


Was ich aufgebe, wenn ich ihn einfach sitzen lasse und gehe.


Wovor ich solche Angst habe und warum ich glaube, ohne ihn nicht klar zu kommen.


Was versuche ich so verzweifelt festzuhalten, dass ich notfalls bereit bin, mit ihm zusammen unterzugehen?


Warum habe ich Angst vor meiner eigenen Freiheit?

 
 
 

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