ADHS, HSP oder WTF!?
- Leo

- 14. Dez. 2022
- 3 Min. Lesezeit
6.30 Uhr
Der verdammte Wecker - ich hab frei!
Ich könnte liegen bleiben - aber eigentlich sollte ich aufstehen. Alle normalen Leute stehen mittwochs früh auf und gehen arbeiten. Mein Vater, meine Oma, meine Freunde, und all diese tollen im Leben voll angekommenen Coaches aus dem Internet - alle fleißigen und gesunden Menschen stehen spätestens 6.30 Uhr auf.
Sie machen dann ihre wechselwarmen Eisduschen, räumen die Küche auf, bereiten ein veganes mega-vital-Spuperfood-Frühstück aus dem eigenen Blumentopf mit Mate-Kombucha-Broccoli-Ingwer-Kukuram-Tee aus Südostjordanien vor. Sie füttern liebevoll ihre 350 verschiedenen Vogelarten im ökologischen Nutzgarten, gehen mit dem Hund Gassi, schreiben dann 30 min ihr Bullet-Tagesreflexions-Journal und starten dananch in ihren perfekten Tag.
Und ich: Ich drücke halb zehn zum dritten Mal auf den verdammten Snooze-Knopf und schäme mir ein Loch in den Arsch, dass ich so faul und undiszipliniert bin. Und dafür, dass auf dem Sofa wieder überall Krümel meiner Freßattacke vom Vorabend rum liegen.
Der Staubsauger ist die einzige Meditation, die mich in so einem Moment wirklich beruhigen kann.
Aber der Akku ist heute leer - genau wie meiner.
Zum Lüften ist es zu kalt - selbst ordentlich Lüften kann ich nicht, obwohl ich als Hausverwalter doch ein Vorbild sein müsste! Ich friere sogar bei offener Balkontür - geschweige denn, dass ich so ein verfluchtes Eisbad machen würde.
Die Wäsche liegt noch von gestern in der Trommel, total zerknittert. So wie mein Gesicht.ich. Auch vergessen - ich bin ich so unglaublich vergesslich!
Ich schaue auf meinen Tagesplaner. Er ist leer. Genau wie ich.
Ich sollte dankbar sein. Ich sollte denken:
Großartig! Keine Verpflichtungen. Wie herrlich ist das bitte! Alle müssen was müssen - und ich muss gar nichts - außer mich gesund ernähren und keinem auf den Sack gehen.
Ich könnte theoretisch den ganzen Tag auf der Couch liegen und endlich mal eins von den hundert Büchern lesen die sich seit Monaten in meinem unaufgeräumten Schrank sammeln.
Ich sollte aber auch endlich mal meine Weihnachtsgeschenke fertig machen. So ganz ohne Kleinigkeiten für meine Freunde will ich dann doch nicht da stehen, auch wenn ich das überall angekündigt habe. Ich wollte auch diesen Online-Kurs zur Selbstfindung weiter machen. Ich wollte auch ein Tages- und Reflexionsbuch schreiben. Ich wollte auch noch einkaufen und kochen. Ich wollte mal zum Czorneboh laufen. Meinen Vater muss ich auch mal wieder besuchen, ich habs versprochen. Oma wartet bestimmt auch, dass ich mich mal sehen lasse. Meine Tante im Wohnheim hab ich auch ewig nicht besucht - die denken bestimt schon, sie ist mir total egal. Mein Kaffee-to-Go-Becher steht noch in der Töpferei, den muss ich holen. Ich bin so dämlich, den dort stehen zu lassen.
Ich dreh durch!
Ich muss erstmal schreiben. Alles raus aus dem Kopf.
Ich kann nur mit Musik schreiben.
Alexa, spiel Meditationsmusik!
Alexa spielt "How much is a fish" von Scooter.
Ich dreh durch - diese dumme Kuh!
Ich kann diese Mediationsmusik aber sowieso nicht ab, das Gedudel nervt!
Ich brauch was poppiges
10.30 Uhr
Nach einer Stunde Kopfachterbahn endlich für eine Playlist entschieden.
Öffne den Blog. 28 angefangene, nicht fertig geschriebene Beiträge plus die 753 angefangenen Texte im Handy - Überforderung! Ich kann mich nicht entscheiden welchen ich weiter schreibe. Vielleicht mach ich erstmal ein Video. Aber zu welcher Musik. Ich fange an, durch Insta zu scrollen. Und dann fang ich an zu heulen.
Was ist das bitte für eine Scheiße.
Ich habe keinerlei Probleme in meinem Leben. Es geht mir gut. Ich habe frei. Ich habe alles was ich je wollte und mich von allem gelöst, was mich je gefangen gehalten hat.
Und dennoch krieg ich es einfach nicht auf die Kette, mal dankbar, ruhig und liebevoll zu mir zu sein und für das Leben das ich führe.
Ich ärgere mich über jeden Mist und ich schäme mich dafür, nicht mehr und besser und fleißiger und produktiver und geordneter zu sein.
Ich kann mich auf nichts fokussieren, außer wenn mich jemand dazu zwingt (wie auf Arbeit) und dann bin ich nach spätestens drei Stunden geistig im Arsch.
Manchmal wünschte ich, ich könnte meinen Kopf abschrauben, in die Ecke stellen, den Tag ohne ihn verbringen und ihn irgendwann wieder abholen, wenn ich mich ausreichend beruhigt habe.
Vielleicht kann man sowas mal einrichten, später, wenn wir alle biotechnische Avatare sind.
Ich bin dafür!
Ich hoffe ich erlebe das noch und hab mich nicht vorher aus versehen mit dem Staubsaugerladekabel erwürgt.





Geil, ich bin weder gesund noch fleißig... 6:30 aufstehen igitt, das ist doch grob fahrlässig oder wie ich zu sagen pflege: früh aufstehen ist der erste Schritt in die falsche Richtung. Ich glaub ich bin so ein Energiesparmodell vor 8 geht mein Akku nur in Ausnahmefällen an. Ein Wechselkopf wäre mega gut. Mal mehr Mal weniger gefüllt, bis dahin wird noch bissl Zeit vergehen. Alexa setze meinen Gleichgültigkeitskopf auf.