Einhörner darf man nicht jagen
- 28. Nov. 2022
- 6 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 6. Jan. 2023
Ich bin nicht "krank" und "verrückt" - all die anderen sind es, die nichts hören können!
Solange ich mich erinnern kann, hab ich mich immer anders gefühlt.
Anders als meine Familie.
Anders als die anderen Kinder in der Schule.
Anders als der ganze Rest vom Dorf.
Kaputte Eltern, kaputte Kinder sagt man.
Und aus kaputten Kindern werden kaputte Erwachsene...
Es ist was dran.
Ich war der Superlativ von kaputt.
Nach Außen die Vorzeigeschülerin, die fleißigste Mitarbeiterin, die fürsorgliche Freundin, Übermutter, gute Hausfrau, smarte Spaßkanone, perfekte Geliebte.
Gleichzeitig - hinter der Fassade - jahrzehntelange Abhängigkeiten, Selbstzerstörung, Beziehungs- und Familiendramen.
Kein Arzt, keine Klinik, keine Therapie, kein Amt, kein Betreuer und keine Medikamente halfen. Auch Freunde und Familie nicht. Sie trieben mich zum Teil sogar noch tiefer in den Abgrund.
Immer wieder Abstürze.
Zuletzt dann 13 Meter vom Balkon.
8 Knochenbrüche, 11h OP, 3 Wiederbelebungsversuche. Künstliches Koma.
Das ist jetzt 4 Jahre her.
Seitdem ist viel passiert.
Endlich!
Was genau den entscheidenden Ausschlag zur inneren Wende gebracht hat, welche Schritte ich gegangen bin, das alles verstehe ich so richtig erst im Rückspiegel.
Ich habe in den letzten Monaten hunderte von Stunden damit verbracht, meine Vergangenheit, mein eigenes Verhalten und alles das, was mir täglich durchs Hirn und meinen Tag schießt, genau zu beobachten, zu reflektieren und aufzuschreiben.
Oft weiß ich dabei nicht, ob ich lachen oder heulen soll.
Zumindest bin ich froh, dass heute beides überhaupt wieder möglich ist.
In meinem engen Umfeld gab es früher lange nur drei Arten von Menschen.
Viele "Gescheiterten", die irgendwo im Ghetto oder einer betreuten WG als "hoffnungslose Fälle" enden, total durch mit sich und der Welt.
So wie die meisten meiner "Mitpatienten".
Dann die sogenannten "Gesunden" die sich jeden Tag 45 Jahre lang abschuften für ein mickriges Gehalt, sich über alles und jeden beschweren und kurz nach der Rente einfach umfallen, weil sie kaputt gespielt sind. Oder schon davor.
So wie meine Elterngeneration.
Und irgendwelche perversen "Überflieger" die auf Kosten anderer sich und ihr Ego puschen und permanent total "drüber" und gestresst sind.
So wie mein Ex und seine "Freunde" (ich nenne sie "Motten")
So leben wollte ich nicht. Niemals! Dann lieber gleich ganz weg.
All diese Leben, die ich bis dato kannte -die waren einfach nicht meins.
Dafür wollte ich nicht jeden Tag immer wieder aufstehen.
Also habe ich begonnen mir selbst zu helfen.
Ich holte mir also neuen "Input" - aus dem Internet, den "Sozialen Medien".
Durch Social Media habe ich endlich Menschen gefunden, die mich unterstützen konnten, weil sie selbst diese schweren Wege geganen waren. Und die inzwischen ein freies, gesundes und selbstbestimmtes Leben zu führen. Eines für das es sich zu leben lohnt.
Ich fühlte mich nicht mehr allein.
Mir wurde klar: Das war es, was mir all die Jahre gefehlt hatte!
Ein Beispiel für ein Leben, das ich leben will .
Und ich fand nicht nur eins- ich fand viele!
Ich habe mir Bücher, Podcast und Videos von all den Menschen reingezogen, das durch haben, was ich durch habe und die heute leben wie ich leben will.
Zu Persönlichkeitsentwicklung, Selbstheilung, Traumabearbeitung, Finanzen und Bewußtseinserweiterung.
Stundenlang. Monatelang. Jeden Tag.
Das alles gab mir Hoffnung und hat mich immer weiter voran gebracht in meiner persönlichen Entwicklung und der Suche nach dem Menschen, der ich sein und dem Leben, das ich führen möchte.
Denn der Mensch der ich war - das war kein Mensch, das war eine kaputte Maschine.
Und mein Leben eine gescheiterte Reihe von Versuchen, das Leben anderer zu kopieren - bzw. verzweifelt vor dem "in der Gosse enden" weglaufen zu müssen.
Ich habe inzwischen unzählige Gespräche mit Coaches, Mentoren und Freunden geführt.
Später sogar mit meiner Familie - naja, soweit das eben bisher möglich war.
Die besten und wichtigsten Gespräche in den letzten Monaten hatte ich allerdings mit:
mir selbst!
Ich habe eine Verbindung aufgebaut zu dem, was man wohl gemeinhin als "Gott", "Universum", "Höheres Selbst", "Innere Stimme" oder "Intuition" bezeichnet.
Denn seit ich all die bewußtseinsverändernden Substanzen - Alkohol, Drogen, Psychotabletten - diese gehirnchemischen "Hilfsmittel" - aus meinem Leben verbannt habe, fing ich an, meine innere Stimme und meine Gedanken zu hören.
Ich kann hören was sie sagen - und mich selbst dabei beobachten, wie ich auf das reagiere, was sie sagen.
Ich bekomme auch immer wieder Zeichen von "oben" ,von "innen" und "außen".
Signale. Wegweiser. Symbole, Zahlen, Synchronizitäten, Worte, Menschen, Situationen- zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort.
Auch meine "Krankheitssymptome", bestimmte Schmerzen, sind solche "Zeichen".
Ich versuche sie zu verstehen, diese Signale.
Manchmal hocke ich aber auch nur wie der Typ aus der Truman-Show inmitten einer meiner"Lebensszenen", fühle mich wie im falschen Film und denke:
"WIE JETZT?! Wo sind die versteckten Kameras?! Was soll ich tun?"
Durch all das habe ich auf all die sogenannten "Diagnosen" , "Krankheiten" "Probleme" und "Störungen", die mir über die letzten 20 Jahre so aufgestempelt wurden, eine andere Sichtweise gewonnen.
Ich habe verstanden:
Ich bin nicht "krank" und "verrückt" - all die anderen sind es, die nichts hören können!
Mein extremes Verhalten diente mir über viele Jahre - und es dient mir immer noch.
Was habe ich im EXZESS geSUCHT?
EXZESS-Trinken/Essen/Kosum/Arbeit/Verantwortung/Aufopferung.
Immer mehr. Immer an die Grenzen. Immer Ja. Immmer perfekt. Immer gut und lieb, damit die Exzesse nicht auffallen - oder aus Scham um sie zu entschuldigen.
Immer nett und brav sein und nirgends anecken wollen.
Gleichzeitig die Aufmerksamkeit und Anerkennung anderer suchen und dann gelangweilt oder überfordert sein, wenn ich sie hatte - oder enttäuscht, wenn ich sie nicht bekam.
Immer versucht, irgendwo rein zu passen, wo ich mich von Anfang an nicht wohl gefühlt habe.
Immer kompensiert, immer überdeckelt, immer geflohen vor mir selbst.
Ich bin aufgewacht und bekomme nun Tag für Tag viele Antworten, wenn ich mit "meiner Stimme telefoniere" ...
Ich erkenne mich langsam wieder in den Spiegeln meines Lebens.
Auch wenn mir das Bild in meinem Schlafzimmerspiegel immer noch nicht gefällt - ich bin auf einem guten Weg.
Zu selten finde ich Gelegenheit für "echten, tiefen" Austausch mit den Menschen die mir nahe sind.
Die Arbeit, die Kinder, der Job - ich habe gerade "keine Zeit" höre ich immer wieder.
Ich glaube, dass viele Menschen sich selbst oft nicht verstehen, weil sie blind in ihrem Hamsterrad vor sich hin rennen - wie sollen sie mich dann verstehen?
Inzwischen bin ich überzeugt: Nicht die Zeit, die man miteinander verbringt, oder der Verwandschaftsgrad ist relevant für die Intensität und Tragkraft von Beziehungen.
Sondern die Art und Tiefgründigkeit der Gespräche, die man miteinander führt.
Die Wahrheit, mit der wir uns begegnen.
Die mutigen Schritte, die wir aufeinander zu gehen, um uns zu zeigen, wer wir wirklich sind und dabei in Kauf nehmen, uns verletzlich und angreifbar zu machen.
Ich hatte Angst lange davor, weil ich es nie gelernt hatte offen zu sprechen.
Mich zu zeigen mit all meinen "Schatten".
Zu riskieren anzuecken. Verlassen zu werden. Konflikte herauf zu beschwören
Im meiner Kindheit wurde versucht mir Verhalten das nicht in den Rahmen passt "abzuerlernen". In all den Kliniken und Therapien auch.
Erziehung nennen sie das.
Verhaltenstherapie nennen sie das.
Aber ich bin kein verdammter Pawlowscher Hund!
Und genau deshalb werde ich erst recht jetzt nicht mehr den Schwanz einziehen!
Ich lasse mich nicht länger von meiner Angst beherrschen.
Und auch nicht von Menschen die glauben zu wissen was gut für mich ist.
Ich war am Boden.
Ich war in meiner persönlichen Hölle. Mehrmals.
Es kann also nur besser werden.
All das, was mir wiederfahren ist, meine Geschichten, all diese Begebenheiten, Ereignisse, Menschen und Situationen, die mir begegnet sind auf meinem Weg - mit denen könnte ich sicher viele interessante Bücher füllen, hat mir mal jemand gesagt.
Es ist Zeit sie zu erzählen.
Ich möchte alles was zuviel und zu laut ist in mir, alles was "hoch kommt" nicht mehr "runter spülen", sondern euch zuwerfen und schauen, ob irgendwer damit etwas anfangen kann.
Ich will ihn los werden, den ganzen Mindshit in mir drin.
Aber auch all das Wertvolle, das sich darin verbirgt raus filtern und konservieren.
Tief in mir spüre ich, dass das der Grund ist, warum das Universum mich nach all dem was war immer noch hier gelassen hat.
Ich möchte herausfinden, was noch so geht für mich, jetzt wo ich das "Leben 2.0" geschenkt bekommen habe.
Vielleicht bekomme ich ein Echo.
Vielleicht hilft mir das weiter zu gehen, jetzt, da ich an einem Punkt stehe, wo es für mich nochmal richtig ekelig und schwer wird auf der "Heilreise".
Es gibt immer wieder dieser Momente, da will ich am liebsten alles hinwerfen.
Und dann wünsche ich mir manchmal einen Anstoß.
Vielleicht haut es mich auch um, das Echo - mitten in mein vorlauten Mund.
Man wird sehen.
Ich möchte all das Lustigs, Traurige, Leichte und Schwere zeigen, damit unterhalten, berühren und auch all den Sand weg fegen, der da immer wieder in meinem Getriebe steckt.
Lachen ist die beste Medizin sagt man.
Heulen befreit sagt man.
Wie wäre es, wenn wir einfach gemeinsam vor Lachen heulen - oder umgedreht.
Betrunkene sprechen die Wahrheit.
Kinder auch.
Und psychisch "Gestörte".
Die scheren sich nicht um Konventionen.
Die ganze Gehirnchemie brauche ich nicht mehr. Soweit gut.
Das mit den "Psycho-Stempeln" - naja,
die habe ich lange abgelehnt.
Aber warum eigentlich...
Sollen mich doch alle für verrückt halten!
Denn ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert.
Warum gegen die Stempel kämpfen, wenn sie meine Freiheit bedeuten.
Ich habe mein halbes Leben lang versucht, den "Schatten" den man mir nachsagt auszumerzen und ihn mit Hilfsbereitschaft, Angepasstheit und überdurchschnittlicher Leistung zu verstecken.
Aus Angst zu verlieren.
Menschen. Jobs. Geld. Sicherheit.Ansehen.
Nun ist es an der Zeit ist für mich loszugehen und den Schatten ins Licht zu tragen.
Schritt für Schritt. Und Wort für Wort.
Zurück zu mir selbst.
Einhörner darf man nicht jagen.
Erst recht nicht, wenn sie strahlen!





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